Wie viele Kredite verträgt unser Land?
Die Banken verdienen hierzulande immer weniger Geld und versuchen das vor allen Dingen durch die Vergabe weiterer Kredite zu kompensieren. Besonders Privatpersonen kommen heute zunehmend leichter an weitere Darlehen. Jetzt plant die EU auch noch, die Dauer einer Privatinsolvenz auf drei Jahre zu senken – eine weitere Einladung zum Schuldenmachen. Wehe, wenn die Blase platzt…
Die Ostsächsische Sparkasse Dresden (OSD) ist ein Geldinstitut wie es in Deutschland viele gibt. Mit rund 600.000 Kunden und einer Bilanzsumme von 12 Milliarden Euro liegt sie irgendwo im Mittelfeld der deutschen Banken. Was die OSD ebenfalls mit vielen weiteren Banken in Deutschland (und ganz Europa) gemeinsam hat? Sie sucht ihr Heil aufgrund der niedrigen Zinsen im Kreditgeschäft – und das mit beachtlichem Erfolg. Der Kreditbestand der Sparkasse lag im abgelaufenen Geschäftsjahr bei 6,63 Milliarden Euro (2017: 6,12 Milliarden Euro). Alleine 2018 kamen Neukredite im Wert von 1,55 Milliarden Euro hinzu, 15,1 Prozent mehr als im Vorjahr.
Das Geschäft mit Krediten boomt
Gerade die Vermittlung an Privatpersonen ist bei den Banken in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, wobei den größten Anteil Immobilienkredite ausmachen. Ende 2018 lag die Summe der gesamten Privatkredite in Deutschland laut einer Bundesbank-Statistik bei knapp 1,23 Billionen Euro – das entspricht einem Zuwachs von mehr als 200 Milliarden Euro seit Ausbruch der Finanzkrise. Auch das Volumen der Kredite, die an Unternehmen und Selbstständige vergeben wurde, ist deutlich gestiegen. Hier liegt das Plus allerdings „nur“ bei knapp 150 Milliarden Euro.
Aber haben die Banken im aktuellen Niedrigzinsumfeld denn überhaupt eine andere Wahl, als immer mehr Kredite auszugeben? Denn die Zinsmargen der Geldinstitute fallen immer weiter: Wie der renommierte Banken-Newsletter finanz-szene.de bereits Anfang April auswertete, sind die Zinsmargen der deutschen Banken bei Immobilien- und Unternehmenskrediten in den vergangenen fünf Jahren drastisch gesunken. Nur in drei Quartalen sind die Margen gestiegen, in allen anderen Quartalen dagegen um bis zu 25 Prozent gefallen. Weil sie immer weniger über die Zinsmargen verdienen, müssen die Banken das über mehr ausgegebene Kredite ausgleichen.
Die deutsche Finanzaufsicht sorgt sich bereits um die Kreditvergabe: Raimund Röseler, oberster Finanzaufseher der Bafin, warnt sogar davor, dass eine mögliche Erosion der Kreditvergabestandards in Verbindung mit einer reduzierten Risikovorsorge eine Gefahr für die Finanzstabilität darstellen könne. Deutschland blicke zwar auf eine wirtschaftlich erfolgreiche Dekade zurück, in dem die auch Quote der ausgefallenen Kredite deutlich gesunken sei. Wie es um die wirtschaftliche Kraft Deutschlands in zukünftig bestellt ist, weiß niemand so genau. Der Wirtschaftsverband DIHK erwartet, dass in diesem Jahr nur noch ein Wachstum von 0,6 Prozent herausspringt. 2018 waren es noch 1,4 Prozent.
An ein neues Darlehen zu kommen, war für Verbraucher und Unternehmer noch nie so günstig wie heute – nicht nur über die eigene Hausbank. Per Vergleichsportal lassen sich die Kredite einfach wie nie beurteilen und sogar direkt online abschließen. Und keine Bange, sollte man einen Kredit einmal nicht mehr zurückzahlen können: Die EU plant gerade, die Dauer einer Privatinsolvenz von derzeit fünf auf drei Jahre zu senken. Doch steht zu befürchten, dass eine solche Turbo-Insolvenz gerade bei Verbrauchern falsche Anreize schafft. Das vermutet zumindest die deutsche Inkassowirtschaft. Dennoch will die EU die neue Richtlinie, die gerade durch die entsprechenden Gremien geht, schon bald europaweit einführen.
Das Kreditparadies hat auch Schattenseiten
Was besonders für Privatpersonen aktuell nach einem Paradies auf Erden klingt, hat aber auch Schattenseiten. Denn mittlerweile hat sich in Deutschland und ganz Europa eine gefährliche Kreditblase aufgebaut, die schon bei minimalen Marktveränderungen zu platzen droht. Gerade im Unternehmensbereich operieren mittlerweile unzählige sogenannte Zombie-Unternehmen. Diese Firmen arbeiten schon längst nicht mehr wirtschaftlich, zögern aber dank extrem günstiger Finanzierungsmöglichkeiten die unausweichliche Pleite weiter hinaus.
Auch immer weniger Privatpersonen in Deutschland müssen in die Insolvenz. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt nur 88.885 Personen – so wenige wie seit knapp 15 Jahren nicht mehr. Auch hier gilt viel zu häufig: Wenn ich in Schwierigkeiten gerate, hilft mit Sicherheit ein weiterer Kredit. Die Banken müssen ihr Geld ja unter die Leute bringen. Sonst drohen sogar Strafzinsen. Denn Einlagen der deutschen Geldinstitute belegt die Bundesbank aktuell mit einem Negativzins von 0,4 Prozent. Die Ostsächsische Sparkasse Dresden hat beispielsweise 2018 etwa 700.000 Euro an Strafzinsen an die deutsche Staatsbank gezahlt.
Aber was passiert, wenn die Blase platzt, ausgelöst durch eine tiefgreifende Rezession oder durch weiter steigende Immobilien- und Mietpreise? Denn Fakt ist: Die Lohnsteigerungen hinken schon seit Jahren den Steigerungen der Mieten und Kaufpreisen hinterher. Dann wird es zu einer Welle an Insolvenzen kommen – auf Unternehmensseite wie im Privatbereich. Forderungen werden nicht mehr bedient, was wieder weitere Firmen und Verbraucher in den Abgrund zieht. Der Immobilienmarkt klappt zusammen, die Zwangsversteigerungen erlösen niedrigere Verkaufspreise und die Banken müssen wieder Defizite verbuchen. Ich hoffe, die Europäische Ökonomie ist auf ein solches Szenario besser vorbereitet.
Die Kolumne wurde zuerst bei Bilanz/Welt.de veröffentlicht.
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