Unternehmen in der Coronakrise: Auf der Suche nach Liquidität
Ob Mittelständler, Großkonzern oder DAX-Unternehmen: In der aktuellen Krise geht es für die deutschen Firmen vor allen Dingen darum, Liquidität sicherzustellen. Die Bundesregierung will das über neue Kredite regeln. Dabei gibt es noch andere Wege, über die sich Unternehmen mit frischem Geld versorgen könnten.
Die Zahl ist bedenklich: Laut einer Mitgliederumfrage des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) ist aktuell jeder zweite Mittelständler in Deutschland von der Pleite bedroht, sollte der Shutdown in Folge der Coronakrise noch einen weiteren Monat anhalten. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will die Unternehmen unter allen Umständen retten: „Der Mittelstand steht für 99,5 Prozent aller Unternehmen in Deutschland, für 60 Prozent aller Arbeitsplätze und 80 Prozent aller Ausbildungsplätze“, sagt er.
Bereits im März hatte die Bundesregierung Soforthilfen für die hiesigen Firmen beschlossen. Von einem „unbegrenzten Kreditprogramm“ war seinerzeit die Rede. Leider sind die von der KfW mit bis zu 90 Prozent besicherten Darlehen am Ende häufig nicht bei den betroffenen Firmen angekommen. Die Gründe: ein hoher bürokratischer Aufwand. Und die Hausbanken haben zu häufig mit der Kreditvergabe gezögert, weil sie bei den Antragstellern in der Krise – wen wundert’s – häufig eine mangelnde Kreditwürdigkeit festgestellt haben.
Keine Risikoprüfung
Jetzt gibt es frisches Geld: Am vergangenen Mittwoch ist ein weiteres Hilfsprogramm für Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten gestartet. Der Kreditrahmen liegt bei 800.000 Euro pro Kreditnehmer, der Staat trägt das gesamte Kreditrisiko. „Durch die Beantragungen bei der Hausbank ohne weitere Risikoprüfung erreicht die Hilfe schnell die Unternehmen und hilft so mit, die schweren Auswirkungen der Corona-Pandemie zu lindern“, versichert Günther Bräunig, Vorstandsvorsitzender der KfW. Ob das auch so eintritt, wird sich zeigen.
Debitos-Managing Director Peter Riedel hat vor einigen Wochen bereits die Sinnhaftigkeit der KfW-Kredite angezweifelt: „Die Frage sei erlaubt, ob es nicht generell sinnvoller gewesen wäre, in dieser Notsituation auf unbürokratische staatliche Zuschüsse und Eigenkapitalhilfen statt auf teure und oftmals risikoreiche Kredite und Steuervergünstigungen zu setzen“, schreibt er bereits Ende März in einer Kolumne zur Coronakrise. Ins gleiche Horn bläst jetzt auch Mittelstandspräsident Mario Ohoven: Mit weiteren Krediten würde die Schuldenlast erhöht, drohende Insolvenzen nur herausgezögert.
Fakt ist: Die Finanzchefs der deutschen Unternehmen suchen händeringend nach Liquidität – auch die der Großkonzerne. „Sie schließen neue syndizierte Kredite ab oder stocken bestehende Linien auf, um sich für die Folgen der Coronakrise zu wappnen. Denn die Unsicherheit, ob das bestehende Cash-Polster ausreichen wird, ist riesig“, schreibt Redakteurin Desiree Backhaus vom CFO-Newsportal DerTreasurer. Rewe habe sich gerade einen neuen Kredit in Höhe von einer Milliarde Euro besorgt. Auch Daimler und Airbus sind mittlerweile auf der Suche nach neuem Geld fündig geworden.
83 Milliarden an Insolvenzforderungen
Neben der Aufnahme von neuen Krediten, sieht Peter Riedel noch eine weitere Möglichkeit für die deutschen Firmen, an frisches Kapital zu kommen: „In Deutschland gibt es nach wie vor einen signifikanten Betrag an Insolvenzforderungen, der in den Bilanzen vieler Unternehmen und Geldhäuser schlummert – und der in Krisenzeiten gehoben werden könnte“, erklärt der Wirtschaftsjurist. Zwischen 2015 und 2019 haben sich laut einer Analyse von Creditreform allein in Deutschland Gläubigerforderungen in Höhe von mehr als 83 Milliarden Euro angehäuft.
Riedel ist sicher, dass ein großer Teil dieser Summe noch auf den Büchern der deutschen Unternehmen lastet. „Die Durchschnittsdauer bei Insolvenzen beträgt fünf Jahre. Und die großen Verfahren können durchaus zehn Jahre und länger dauern“, sagt der Head of Illiquid Products der Debitos GmbH. Und ein Verkauf einer Insolvenzforderung über einen Zweitmarkt wie Debitos wäre innerhalb weniger Wochen zu regeln. Die Nachfrage besteht: Finanzinvestoren sind gerade in Krisenzeiten sehr an Insolvenzforderungen interessiert.