February 19, 2025 12:28 pm

Überprüfung des Marktberichts des NPL Advisory Panel bei der Europäischen Kommission

Der europäische Markt für notleidende Kredite (NPL) hat sich im letzten Jahrzehnt erheblich gewandelt, aber neue Risiken zeichnen sich ab. Ein neuer Bericht mit dem Titel Überwachung des Zustands der sekundären NPL-Märkte, erstellt vom NPL Advisory Panel für die Europäische Kommission (EK), bietet eine umfassende Bewertung des Sektors und analysiert:

  1. die Entwicklung der NPLs in der EU, die potenziellen Zukunftsaussichten und die damit verbundene Lebenshaltungskostenkrise;
  2. die sekundären NPL-Märkte – einschließlich der wichtigsten Akteure (z. B. Servicer, Käufer) und der Transaktionstrends in Bezug auf Volumen, Preise und Performance; sowie
  3. die Entwicklung der Kosten, Gebühren und Maßnahmen zur Stundung von Krediten.

Ein zentrales Fazit dieser Untersuchung ist, dass regulatorische Reformen zwar Transparenz und Liquidität verbessert haben, aber neue Schwachstellen in Schlüsselbereichen, verschärfte Kreditbedingungen und grenzüberschreitende Ineffizienzen Gegenwind für den europäischen sekundären NPL-Markt schaffen könnten. Während Initiativen zur Förderung der Standardisierung, zur Erhöhung der Investorenteilnahme und zur Strukturierung des Verkaufsprozesses an Dynamik gewinnen, könnten regulatorische Zersplitterung und makroökonomische Veränderungen weiteren Fortschritt behindern. Investoren und Servicer müssen sich in einer komplexeren und fragmentierteren Landschaft zurechtfinden, die durch makroökonomische Veränderungen, ein reduziertes NPL-Volumen und veränderte Investordynamiken geprägt ist.

Rückgang der NPL-Quote, während sich finanzielle Notlagen erneut abzeichnen

Nach einem Jahrzehnt der Entschuldung haben europäische Banken ihre NPL-Exposition von 6,5 % im Jahr 2014 auf nur 1,9 % im dritten Quartal 2024 gesenkt. Allerdings verdecken diese verbesserten Gesamtquoten eine erneut aufkommende finanzielle Notlage. Seit 2023 sind die NPL-Volumina in Österreich, Frankreich, Deutschland und Rumänien um insgesamt 16 Milliarden Euro gestiegen, während Polen mit einer NPL-Quote von 4,0 % nun den höchsten Wert aufweist. Dies deutet auf eine erneute Verschärfung der finanziellen Schwierigkeiten hin, die durch hohe Zinssätze und eine verringerte Liquidität verursacht wird. Auch in bestimmten Sektoren steigt die Verwundbarkeit, insbesondere im Bereich der gewerblichen Immobilien (4,3 %) und bei KMU-Krediten (4,6 %).

Regulatorische Zersplitterung hemmt grenzüberschreitende Transaktionen

Trotz dieser finanziellen Schwierigkeiten bleiben grenzüberschreitende NPL-Transaktionen begrenzt. Regulatorische Barrieren behindern den Markt, sodass laut der NPL Advisory Panel-Umfrage von 2024 nur 10 % der Deals mehrere Länder umfassen. Obwohl die NPL-Richtlinie eine stärkere Marktangleichung erleichtern sollte, behindern weiterhin regulatorische Unterschiede die Beteiligung ausländischer Investoren. Unterschiede in Insolvenzgesetzen, langsame gerichtliche Verfahren und nationale Lizenzierungsbeschränkungen erschweren grenzüberschreitende Investitionen, was die Risikobewertung komplexer macht, die Markttiefe reduziert und die Abwicklungszeiten verlängert.

Das neue „Passporting-System“ der NPL-Richtlinie für Kreditservicer ist ein Schritt in Richtung Harmonisierung, da es Firmen, die in einem EU-Mitgliedstaat zugelassen sind, erlaubt, in anderen zu operieren. Allerdings beschränkt sich diese Regelung nur auf NPLs von EU-Kreditinstituten, sodass nationale Einschränkungen in vielen Fällen weiterhin gelten. Dadurch bleiben wesentliche Ineffizienzen ungelöst, was den Standardisierungsprozess im fragmentierten europäischen NPL-Markt verlangsamt.

Transaktions- und Inkassokosten sowie Maßnahmen zur Stundung

Die unterschiedlichen nationalen Regelungen zu Gebühren, Inkasso und Stundungsmaßnahmen erschweren grenzüberschreitende NPL-Transaktionen zusätzlich. Diese Kosten und Verfahren variieren stark zwischen den EU-Mitgliedstaaten, da sie von nationalen Gesetzen, Verbraucherschutzrahmen und gerichtlichen Prozessen beeinflusst werden. Während die NPL-Richtlinie einige Harmonisierungsbemühungen eingeführt hat, gilt sie nur für bankvergebene Kredite und schließt Nicht-Bank-Schulden wie Versorgungsrechnungen, Telekommunikationsschulden und E-Commerce-Finanzierungen aus. Dies führt zu einem ungleichen regulatorischen Umfeld, in dem unterschiedliche Schuldenkategorien und Schuldner je nach Land unterschiedlichen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen unterliegen.

Für Servicer, die in mehreren EU-Ländern tätig sind, erhöhen diese Inkonsistenzen die Komplexität bei der Strukturierung von Deals, der Bewertung von Vollstreckungskosten und dem Management von Schuldnerinteraktionen. Allerdings hat der zunehmende Fokus auf den Sekundärmarkt geholfen, Kosten in einigen Bereichen zu senken, da Investoren restrukturierte Portfolios mit reduzierter rechtlicher Komplexität erwerben können. Langfristig könnte eine mangelnde regulatorische Abstimmung jedoch die Preisbildung auf den sekundären NPL-Märkten verzerren, das Investoreninteresse dämpfen und Ineffizienzen bei der Schuldenbewältigung schaffen.

Private-Equity-Investoren ziehen sich zurück, während Kreditservicer ihre Marktrolle ausbauen

Traditionell dominierten US-amerikanische Distressed-Debt-Fonds wie Cerberus, Blackstone, PIMCO und Fortress den NPL-Markt. Doch aufgrund hoher Zinssätze und schrumpfender NPL-Bestände haben viele Investoren ihr Engagement reduziert. Gleichzeitig haben Kreditservicer – die für das Management, die Restrukturierung und die Rückforderung notleidender Kredite im Auftrag von Investoren verantwortlich sind – ihre Rolle ausgebaut. Laut Bericht haben Kreditservicer ihre Bilanzsumme in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt, von 43 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf 82 Milliarden Euro im Jahr 2023. Doch dieser Ausbau ging mit Kosten einher. Der Sektor ist hoch konzentriert – die 20 größten Servicer verwalten 90 % der gesamten betreuten Vermögenswerte. Einige stehen nun unter finanziellem Druck, und ein führender Akteur musste 2024 Gläubigerschutz beantragen, was die Belastung durch höhere Finanzierungskosten und weniger verfügbare Deals verdeutlicht.

Kostenbelastung drückt auf die Rentabilität des NPL-Sektors

Der Bericht zeigt, dass die Rentabilität im NPL-Servicing-Sektor volatil war, beeinflusst durch steigende Finanzierungskosten und sich wandelnde Marktbedingungen. Die Eigenkapitalrendite (RoE) und die Vermögensrendite (RoA) erreichten 2014 ihren Höhepunkt, fielen jedoch zwischen 2017 und 2020 stark, erholten sich kurzzeitig im Jahr 2022 und korrigierten erneut im Jahr 2023, wobei mehr Unternehmen Verluste meldeten.

Besonders große Servicer sind betroffen, da ihre Verschuldungsquote im Jahr 2023 auf 190 % anstieg, was die Risiken einer übermäßigen Hebelwirkung in einem Umfeld hoher Zinssätze verdeutlicht. Die gestiegenen Kreditkosten haben Investoren dazu veranlasst, höhere Renditen zu fordern, was wiederum zu höheren Diskontierungssätzen und niedrigeren Bewertungen von NPL-Portfolios geführt hat. Gleichzeitig hat der Wegfall staatlich gestützter Garantieprogramme – wie Italiens GACS (ausgelaufen 2022) und Griechenlands HAPS (Ende 2023 erneuert) – die Transaktionsaktivität weiter belastet. Angesichts steigender Refinanzierungskosten und eines geringeren Angebots an notleidenden Vermögenswerten warnt der Bericht davor, dass der finanzielle Druck auf Servicer weitreichende Auswirkungen auf die Stabilität des Marktes haben könnte. Da der Sektor stark konzentriert ist, wird die Art und Weise, wie Servicer und Investoren sich an das herausfordernde Preisumfeld anpassen, die zukünftige Entwicklung des europäischen NPL-Marktes maßgeblich beeinflussen.

Rückgang der Handelsvolumina, während der Markt auf Sekundärtransaktionen umschwenkt

Der Bestand an NPLs in den Bilanzen der EU-Banken ist von über 1 Billion Euro im Jahr 2014 auf 372 Milliarden Euro im Jahr 2023 gesunken. Während im Bericht keine Zahl für 2024 genannt wird, beziffert die EZB die von EU-Banken gehaltenen NPLs zum dritten Quartal 2024 auf 360,54 Milliarden Euro. Mit weniger notleidenden Vermögenswerten in den Bankbilanzen sind die jährlichen Transaktionsvolumina in den letzten Jahren zurückgegangen.

Großvolumige Portfoliotransaktionen durch Banken haben erheblich nachgelassen, doch die Marktaktivität bleibt weiterhin robust. Ein wachsender Anteil der Transaktionen findet nun auf dem Sekundärmarkt statt, wo Kreditkäufer NPL-Portfolios an andere Investoren weiterverkaufen. Diese Wiederverwertung bestehender NPLs trägt zur Liquidität des Sektors bei, selbst wenn die ursprünglichen Verkäufe durch Banken abnehmen. Der Bericht deutet darauf hin, dass die NPL-Verkäufe im Jahr 2025 wieder ansteigen könnten, insbesondere wenn sich mehr Kredite aus „Stufe 2“ zu NPLs entwickeln, da die wirtschaftliche Unsicherheit anhält. Dies könnte sowohl zu einer Zunahme primärer, von Banken initiierter Transaktionen als auch zu einer höheren Sekundärmarktaktivität führen.

Der europäische Sekundärmarkt für NPLs entwickelt sich zu einem dominanteren Segment des Gesamtsektors, unterstützt durch regulatorische Harmonisierung und Innovationen im digitalen Marktplatz. Die Richtlinie über Kreditservicer und Kreditkäufer sowie die standardisierten Transaktionsdatentemplates der EU legen den Grundstein für ein transparenteres, wettbewerbsfähigeres und effizienteres NPL-Ökosystem. Diese Maßnahmen sollen die Risikotransfers von Banken zu privaten Investoren verbessern, Ineffizienzen verringern und die Preisfindung optimieren. Allerdings hat die Umsetzung dieser Reformen in den Mitgliedstaaten neue Unsicherheiten mit sich gebracht, insbesondere in Bezug auf die regulatorische Auslegung und die Durchsetzung der Compliance.

Mit dem Wachstum des Sekundärmarktes spielen digitale Plattformen eine entscheidende Rolle bei der Steigerung der Effizienz, Liquidität und des Investoren-Zugangs zu notleidenden Vermögenswerten über mehrere Rechtsräume hinweg. Da Sekundärtransaktionen nun einen wachsenden Marktanteil ausmachen, trägt diese Verschiebung dazu bei, die Liquidität hochzuhalten – selbst in einem Umfeld, in dem bankseitige NPL-Verkäufe zurückgehen.

Zukunftsausblick: Ein fragmentierter, aber zunehmend spezialisierter NPL-Markt

Die europäische NPL-Landschaft entwickelt sich weiter – nicht durch einen Rückgang der Marktaktivität, sondern durch eine Verlagerung der Strukturen. Während das Volumen der primären Bankverkäufe gesunken ist, treten neue Marktteilnehmer auf, Investoren diversifizieren ihre Strategien und Technologie vereinfacht Transaktionsprozesse. Der Bericht hebt hervor, dass die Rolle von Sekundärverkäufen, restrukturierten Portfolios und alternativen Anlageklassen im Bereich notleidender Schulden wächst. Dies eröffnet neue Chancen sowohl für Investoren als auch für Servicer und unterstreicht die fortlaufende Transformation des europäischen NPL-Marktes.

Dieser Artikel wurde verfasst von Timur Peters

Timur Peters is the founder of Debitos GmbH. He holds a diploma in finance and law. He is Expert of the NPL Advisory Panel at the European Commission in Brussel and has more than 20 years’ experience in the range of finance.
Before Founding Debitos Timur Peters was responsible in the distribution of Software for Banks and Financial Institutions for Comarch for the D/A/CH Region. Next to this he has worked for several years as a self employed Project Consultant in the area of Financing of Litigation cases, Peer2-Peer Credit Marketplaces and other online projects for financial institutions.

Website:
https://www.debitos.com

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(Bildrechte: https://www.istockphoto.com/de/portfolio/danielsbfoto)

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