Perversion des EU-Frühwarnsystems: Auch Erfolg wird bestraft
Ab und an berichten wir von Debitos auch über politische und wirtschaftliche Themen, die uns alle bewegen. Nach dem europäischen Superwahlsonntag ist heute ein solcher Tag.
Vor einiger Zeit wurde zur Überwachung der volkswirtschaftlichen Verfassung der EU-Mitgliedsstaaten ein neues makroökonomisches EU-Frühwarnsystem eingeführt. Auf diese Weise sollen unausgewogene Handelsbilanzen frühzeitig erkannt werden, um zu verhindern, dass ein Land in tiefgreifende Schwierigkeiten gerät und dadurch die Volkswirtschaften weiterer Mitgliedsländer destabilisiert werden. Am Beispiel Griechenland zeigt sich aber, dass auch so eine bewusste Beschönigung der wirtschaftlichen Leistung nicht verhindert werden kann. Da „erfreut“ es den deutschen Steuerzahler besonders, wenn nach der Parlamentswahl in Griechenland ein Verbleib im Euro-Verbund ohne Begleichung der immensen Staatsschulden gefordert wird. Wirtschaftliche Grundprinzipien ade…
Perversion des Systems: Erfolg soll bestraft werden
So sinnvoll das Frühwarnsystem vom Grundgedanken auch sein mag – es verlangt von den Volkswirtschaften der EU-Mitgliedsstaaten, sich innerhalb eines festgelegten Rahmens zu bewegen und bestraft neben Defiziten auch Überschüsse in der Handelsbilanz. Währungskommissar Olli Rehn stellte nun die ersten Ergebnisse des Frühwarnsystems vor und bemerkte in diesem Zusammenhang den Überschuss Deutschlands im betrachteten Zeitraum von 5,9%. Da das System ab einem Überschussanteil von 6% der Wirtschaftsleistung eine Abmahnung vorsieht, haben viele Beobachter zumindest einen Rüffel für die deutsche Bundesregierung erwartet. Doch dieser blieb zur Überraschung vieler aus. So bleibt immerhin ein Fünkchen Hoffnung auf einen Rest an Rationalität erhalten.
System mit kontraproduktiven Anreizen
Man könnte meinen, es bestünde Einigkeit darüber, dass ein unkontrolliertes Wachstum der (Staats-)Verschuldung die Eurokrise hervorgerufen habe. Anders formuliert sehen einige Experten das große Ungleichgewicht von Staaten mit Überschuss und Defizit als wichtigste Ursache für die Euro-Krise. In diesem Fall wäre der Austritt betroffener Länder die logische Konsequenz. Zwar können auch politische Systeme wirksam sein – sie müssen dafür aber die richtigen Anreize setzen. Ein System, das auch Erfolg und effizientes Wirtschaften unter Strafe stellt, gleichzeitig aber Verschuldung und Korruption belohnt, ist langfristig zum Scheitern verurteilt.
Rehn: Keine exzessiven Ungleichgewichte für Deutschland
Währungskommissar Olli Rehn rechtfertigte die ausgebliebene Rüge für Deutschland damit, dass trotz des Überschusses keine exzessiven Ungleichgewichte für die Bundesrepublik aus der Studie hervorgegangen wären. Dennoch betonte er, die Gründe für die anhaltend hohen Überschüsse in den nächsten Monaten noch einmal intensiv zu betrachten: „Das könnte auch von Relevanz sein für die Analyse der deutschen Performance.“ Anders die OECD: Sie und zahlreiche Ökonomen fordern von Deutschland, seine Bemühungen zur Stärkung des Binnenmarktes zu erhöhen und damit einen (noch) höheren Beitrag zur Verringerung der globalen Ungleichgewichte zu leisten. Dazu könnten beispielsweise Reformen im Dienstleistungssektor beitragen. Insgesamt soll ein Gleichgewicht zwischen Inlandsnachfrage und Export zu einem ausgeglicheneren Wachstum für Deutschland und Europa führen.