“Große Verschuldungswelle in Deutschland”
Der ehemalige Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht die von der Bundesregierung beschlossenen KfW-Kredite und die Corona-Hilfen in Europa kritisch. Beides würde dazu führen, dass Unternehmen wie Staaten neue Schuldenberge auftürmen, sagt er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Dies verhindert Investitionen, wenn die Corona-Pandemie zu Ende geht – und das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben neu gestartet wird. Peter Bofinger…
…über die Folgen der Corona-Krise: “Das große Problem der Corona-Krise ist, dass durch den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stillstand jetzt neue riesige Schulden im Wirtschaftssystem aufgebaut werden. Wir haben Unternehmen, die laufende Zahlungen begleichen müssen. Aber ihre Einnahmen brechen weg. Durch das Kurzarbeitergeld sind sie etwas entlastet. Aber insgesamt baut Corona eine sehr große Verschuldungswelle auf.”
…über die KfW-Kredite: “Die Kredite helfen, dass die Liquiditätsflüsse im Wirtschaftssystem weiterlaufen. Man bezahlt Rechnungen, Mieten, Verpflichtungen. Das ist gleichsam als Erste Hilfe wichtig. Aber je länger das läuft, desto mehr staut sich die Schuldenwelle auf. Sie spült das Eigenkapital weg und führt verstärkt zu Insolvenzen. (…) Alles, was jetzt die Eigenkapitalausstattung verschlechtert, macht es schwerer, kraftvoll zu starten und neu zu investieren. Selbst die Betriebe, die gut dastehen, werden beschädigte Bilanzen haben. Auch denen lasten die Kredite auf den Schultern.”
…über die Unterschiede zur Finanzkrise: “Damals haben Banken Verluste gemacht, aber wegen eines eigenen Fehlverhaltens. Sie hatten gezockt. Klar, dass die auch bluten müssen. Deshalb waren die staatlichen Hilfen an Auflagen gekoppelt. Jetzt aber, bei Corona, ist es völlig anders. Der Staat schließt Unternehmen. Deshalb treten Verluste auf. (…) Man könnte also daran denken, dass Ansprüche der Unternehmen aus einem enteignungs- oder aufopferungsgleichen Eingriff des Staates bestehen. Kredite sind hierfür kein Ersatz.”
…über einen alternativen Weg der Staatshilfe: “Staatliche Transfers, damit die Unternehmen ihre Bilanzen wieder reparieren können. In Österreich erhalten Unternehmen, die besonders stark von der Krise betroffen, staatliche Zuschüsse von bis zu 75 Prozent ihrer Fixkosten. Man könnte in Deutschland die im Steuerrecht vorgesehene Möglichkeit des Verlustrücktrags, die bisher auf eine Million begrenzt ist, deutlich ausweiten. Unternehmen könnten die Verluste, die in diesem Jahr anfallen, mit den versteuerten Vorjahresgewinnen verrechnen und so anteilig diese Steuern zurückbekommen.”
…über eine neue Schuldenkrise: “Die Regierungen müssen versuchen, die Verschuldung des Privatsektors zu reduzieren, indem sie die krisenbedingten Schulden soweit wie möglich in ihre Bücher nehmen. Je länger es dauert, desto höher werden die staatlichen Schulden. Bei Italien sind die Schulden schon hoch und jeder weitere Anstieg ist ein Problem, weil es teurer wird, die Schulden zu tragen. Deshalb müssen die Maßnahmen so konzipiert sein, dass sie die Schulden möglichst nicht allzu sehr erhöhen.” Süddeutsche Zeitung