September 26, 2024 4:52 pm

Die Immobilienkrise in Deutschland könnte sich weiter verschärfen

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer immer tieferen Krise, die durch hohe Kreditkosten, den Verlust billiger russischer Energie und anhaltende geopolitische Spannungen verursacht wird. Einst eine globale Produktionsmacht, schwächeln nun die deutschen Automobil- und Industriesektoren, während der Immobilien- und Bausektor erheblich unter Druck geraten.

 

Energiekrise offenbart Verwundbarkeit

Deutschlands Abhängigkeit von billiger russischer Energie hat sich als Achillesferse erwiesen. Der durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Anstieg der Energiepreise hat das Wachstum und die Produktivität stark gebremst und internationales Kapital abgeschreckt. Während die Bundesbank eine verzögerte wirtschaftliche Erholung prognostiziert, vorausgesetzt es gibt keine neuen Schocks, bleiben viele Ökonomen pessimistisch. Das BIP schrumpfte im zweiten Quartal um 0,1 %, und die Aussichten für das dritte Quartal deuten auf anhaltende Schwäche hin. Die Industrieproduktion fiel im Juli im Vergleich zum Vormonat um 2,4 %, weit unter den erwarteten -0,3 %, so das Statistische Bundesamt.

Der Produktionsrückgang war breit gefächert, aber besonders stark im verarbeitenden Gewerbe, insbesondere im Automobil- und Elektrosektor – zwei Schlüsselstützen der deutschen Wirtschaft, deren Rückgang weitere Kontraktionsrisiken signalisiert. Zudem sank der Handelsüberschuss Deutschlands im Juli stark auf 16,8 Milliarden Euro, gegenüber 20,4 Milliarden Euro im Juni, was die Befürchtungen verstärkt, dass das Land im dritten Quartal in eine technische Rezession rutschen könnte. Allerdings gab es einen Lichtblick: Die jährliche Inflationsrate sank im August zum ersten Mal seit drei Jahren unter 2 %, was eine gewisse Entlastung von den Inflationsdruck auslöst, auch wenn es Zeit brauchen wird, bis sich die Vorteile materialisieren.

 

Zinssätze und Marktsentiment

Die erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Juni gab den Märkten ein positives Signal und verbesserte die Planbarkeit der Finanzierungskosten. Dennoch bleiben die Zinsen hoch, was weiterhin die Kapitalflüsse im Immobiliensektor dämpft. Marktteilnehmer erwarten bis Jahresende zwei weitere Zinssenkungen und eine schrittweise Senkung des Einlagenzinssatzes auf etwa 2,5 % bis 2025. Allerdings deuten jüngste Daten darauf hin, dass dieser Weg holpriger sein könnte als erwartet, bedingt durch die anhaltende Inflation im Dienstleistungssektor und das fortgesetzte Lohnwachstum.

Obwohl diese erwarteten Zinssenkungen die finanziellen Bedingungen leicht entspannen könnten, dürften die weiterhin hohen Kreditkosten, geopolitische Unsicherheiten und schwache Geschäftsstimmung eine schnelle Erholung verhindern. Die Geschäftserwartungen der deutschen Unternehmen, gemessen am ifo-Geschäftsklimaindex, sind seit zwei Jahren in allen Sektoren negativ, ohne Aussicht auf Besserung. Die Unternehmensinsolvenzen stiegen im ersten Halbjahr 2024 um fast 30 %, der höchste Stand seit einem Jahrzehnt, so Creditreform, wie Bloomberg berichtet.

 

Immobilienmarkt in Turbulenzen

Der deutsche Immobilienmarkt leidet unter steigenden Kreditkosten, was zu einem starken Rückgang der Immobilienbewertungen und einer eingeschränkten Liquidität führt. Die Refinanzierungslücke wächst, da vorsichtige Kreditgeber und abwesende Mezzanine-Anbieter viele Projekte ohne Finanzierung belassen. Laut MSCI befinden sich über 50 % der notleidenden Immobilienvermögenswerte in Europa in Deutschland, mit bemerkenswerten Fällen wie dem Zusammenbruch von Signa, dem Einzelhandelsimperium von Rene Benko, im November letzten Jahres, der notleidende Immobilienverkäufe auslöste, und dem Eigentümer der Frankfurter Bundesbank-Zentrale, der Insolvenz anmeldete und „Liquiditätsschwierigkeiten“ anführte. Deka, der Vermögensverwalter und langjährige Mieter, zog im August in neue Hauptquartiere um. Deutsche Büros kämpfen mit sinkenden Belegungsraten, teilweise aufgrund des globalen Trends zu hybriden Arbeitsmodellen. Commerzbank warnt, dass die Unternehmensinsolvenzen in den kommenden Monaten weiter steigen dürften, was zusätzliche Risiken für Immobilienbesitzer darstellt.

Auf den Wohnungsmärkten offenbaren starke Rückgänge bei Baugenehmigungen und Wohnungsfertigstellungen einen schwachen Markt. Hohe Zinsen, explodierende Baukosten und ein Mangel an geeigneten Grundstücken haben viele Projekte verzögert oder abgesagt. Im Jahr 2023 wurden nur 294.400 neue Wohnungen fertiggestellt, gegenüber dem Ziel der Regierung von 400.000. Die hohen Zinsen halten den Neubau weiterhin auf niedrigem Niveau, und die Aussicht auf weitere Belastungen ist groß.

Notleidende Immobilienverkäufe machen inzwischen 21 % aller Transaktionen aus, gegenüber 12 % vor nur drei Monaten, so Colliers. Diese Zahl wird voraussichtlich weiter steigen, da der Liquiditätsdruck insbesondere bei Projektentwicklern und notleidenden Verkäufern zunimmt. Während einige große Portfoliobesitzer möglicherweise versuchen, Vermögenswerte auf den Markt zu bringen und von den leicht verbesserten Finanzierungsbedingungen zu profitieren, erschweren neue regulatorische Anforderungen – insbesondere strenge ESG-Vorgaben – die Vermögensverwaltungsstrategien.

Deutschlands Schuldenquote wird 2024 voraussichtlich 64 % erreichen und damit den EU-Grenzwert von 60 % überschreiten. Obwohl dies besser ist als in Frankreich, Spanien und Italien, schafft die politische Landschaft Unsicherheit. Zugewinne rechtspopulistischer Parteien bei den Regionalwahlen verunsichern Investoren, da diese Entwicklungen die Stabilität der Mitte-links-Koalitionsregierung gefährden.

 

Chancen in der Krise

Trotz der Herausforderungen eröffnen sich Chancen, insbesondere für alternative Kreditgeber und Private-Equity-Fonds. Diese Akteure treten ein, um Finanzierungslücken zu schließen, insbesondere bei komplexen, risikoreichen Transaktionen. Während das Volumen der notleidenden Verkäufe bisher begrenzt war, könnte eine weitere wirtschaftliche Verschlechterung den Preisdruck erhöhen und die Bewertungen senken, was mehr Chancen für opportunistische Investoren schafft. Die Banken konzentrieren sich größtenteils darauf, Kredite zu ändern und zu verlängern, um Risiken zu steuern und Beziehungen aufrechtzuerhalten, aber es wird erwartet, dass einige sich dem Verkauf von Schulden zuwenden, um notleidende Immobilienprobleme zu lösen. Mit der Reifung des Sekundärkreditmarktes in Europa werden Schuldverkäufe voraussichtlich entscheidend sein, um Banken zu entlasten, während Kreditinvestoren die Chance haben, in notleidende Vermögenswerte zu investieren.

 

Ausblick für notleidende Kredite (NPL)

Die Umsetzung der EU-Richtlinie für Kreditdienstleister (CSD) in deutsches Recht dürfte den Verkauf notleidender Kredite beschleunigen, indem die Preistransparenz verbessert und grenzüberschreitende Transaktionen vereinfacht werden. Dies wird voraussichtlich deutsche Banken ermutigen, angesichts steigender Quoten und zunehmender Unternehmensdarlehensnotlagen mehr notleidende Kredite abzustoßen. Laut der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) stiegen die NPL-Volumina im ersten Quartal 2024 auf 39,8 Milliarden Euro, wobei notleidende Gewerbeimmobilienkredite (CRE) von 13,7 Milliarden Euro auf 14,2 Milliarden Euro zunahmen. Während die Gesamtnotleidendenquote bei 1,3 % blieb, stiegen die CRE-NPLs auf 5 %. Prognosen deuten darauf hin, dass die NPL-Volumina bis Ende des Jahres auf 40,2 Milliarden Euro ansteigen könnten, mit weiteren Zuwächsen im Jahr 2025, so das NPL-Barometer, eine einflussreiche Umfrage unter Risikomanagern führender deutscher Kreditinstitute.

Auch Wohnhypotheken dürften in den nächsten zwei Jahren zu steigenden NPL-Quoten beitragen. Viele Banken bereiten sich auf Refinanzierungsrisiken bei Hypotheken in den nächsten zwei bis drei Jahren vor, da Wohnungsbaudarlehen, die zu 1 % festgesetzt wurden, auf Zinssätze zwischen 3,5 % und 4 % ansteigen, was wahrscheinlich zu einer Zunahme der NPL-Volumina führt. Inzwischen stiegen die Insolvenzen im Jahr 2023 aufgrund der Inflation und der steigenden Kosten um 41 %, was die Notlage der Immobilienbranche weiter verschärft. Prominente Fälle wie die Insolvenz von HELMA haben die Aktivitäten auf notleidenden Plattformen wie Debitos angekurbelt. Zudem nehmen die Sorgen unter nachrangigen SSD-Anleihegläubigern in Büroprojekten wie Branicks/DIC zu.

 

Fazit

Die Kombination aus regulatorischen Veränderungen, zunehmenden Belastungen und wirtschaftlichen Herausforderungen wird wahrscheinlich zu einem signifikanten Anstieg der Verkäufe notleidender Kredite in Deutschland führen. Proaktive Maßnahmen wie die Stärkung des Risikomanagements und der Ausbau der Servicing-Kapazitäten werden für Banken, Investoren und Dienstleister entscheidend sein, um die bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Die Chancen für Investoren in notleidende Vermögenswerte werden voraussichtlich zunehmen, da der Marktdruck weiter wächst.

Dieser Artikel wurde verfasst von James Wallace

James Wallace is an editor, journalist, researcher and corporate writer on economics, geopolitics, finance, real estate, private equity, aviation, infrastructure and technology. He co-founded CoStar News in the UK in April 2011, and now works for multiple media organisations and corporations across writing, research, marketing/PR and consulting. He is an aspiring psychologist.

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(Bildrechte: https://www.istockphoto.com/de/search/photographer?photographer=Frank%20Wagner&assettype=image&family=creative)

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