“Deutschland befindet sich in einer schweren Rezession”
Gestern fand das Symposium “Covid-19 und die Auswirkungen auf die Banken in Deutschland” der Deutschen Bundesbank statt – als Digital-Konferenz. Im Interview zur Eröffnung der Veranstaltung sprach Bundesbank-Präsident Dr. Weidmann über die Folgen der Coronakrise, die Rolle der Poltik und die Aufgabe der Banken in der aktuellen Situation. Dr. Jens Weidmann…
…über wirtschaftlichen Folgen: “Die Ausbreitung des Coronavirus und die vielfältigen Maßnahmen zu seiner Eindämmung verändern unseren Alltag und beeinträchtigen auch die Wirtschaft ganz massiv. (…) Allein die dadurch wegfallenden Konsumausgaben dürften die Wirtschaftsleistung schon im ersten Quartal um rund 1 % reduziert haben. Hinzu kommt, dass auch Nachfrage aus dem Ausland fehlt, denn die Pandemie trifft ebenfalls wichtige Partnerländer. (…) Das ganze Ausmaß der negativen Effekte auf unsere Wirtschaft deuten die Anmeldungen von Kurzarbeit an. Sie sind seit Anfang März sprunghaft gestiegen. Mittlerweile hat jeder dritte Betrieb in Deutschland Kurzarbeit angezeigt. Der Anteil der Beschäftigten, die tatsächlich kurzarbeiten, dürfte um einiges kleiner sein. Aber klar ist: Deutschland befindet sich in einer schweren Rezession.”
…über eine Erholung der Wirtschaft: “Entscheidend wird sein, wie sich die Epidemie entwickelt, also ob das Infektionsgeschehen unter Kontrolle bleibt und welche Schutzmaßnahmen wie lange dafür in Kraft sein werden. Je nachdem, was Sie da unterstellen, kommen Sie zu sehr unterschiedlichen Vorausschätzungen. Mittlerweile gibt es ja in Deutschland vorsichtige Lockerungen der Eindämmungsmaßnahmen. Und wenn es für das Gesundheitssystem vertretbar ist, werden vermutlich weitere Lockerungen folgen. Aber womöglich werden wir auch dann noch mit gewissen Einschränkungen leben und arbeiten müssen, bis eine wirksame medizinische Lösung verfügbar ist. Insofern ist eine schnelle und kräftige Erholung eher unwahrscheinlich.”
…über die Gefahr einer Abwärtsspirale: “Bei aller Unsicherheit: eine Abwärtsspirale sehe ich nicht. Denn die Finanzpolitik versucht mit hohem Mitteleinsatz, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern. Die automatischen Stabilisatoren wirken, denn in Deutschland haben wir ein gut ausgebautes System der sozialen Sicherung. Zusätzlich haben Bund und Länder massive Stützungsmaßnahmen ergriffen. Die Bundesregierung hat darüber hinaus angekündigt, bei Bedarf Konjunkturprogramme aufzulegen. Und auch das Eurosystem sorgt mit umfangreichen Maßnahmen für die nötige geldpolitische Unterstützung.”
…über die politischen Maßnahmen: “Die Politik hat schnell und umfassend gehandelt. Genau das ist in so einer Situation gefragt. Viele Unternehmen haben jetzt zeitweise große Einnahmeverluste. Aus vorübergehenden Liquiditätsengpässen dürfen aber keine Solvenzprobleme werden. Deshalb werden die Unternehmen bei Steuern und Sozialbeiträgen entlastet. Es gibt Soforthilfen für Selbständige, Kreditbürgschaften und die Möglichkeit, dass sich der Staat bei größeren Unternehmen direkt beteiligt. Auch die Beschäftigten werden umfassend abgesichert.”
…über die Rolle der Banken: “Ganz anders als in der Finanzkrise sind die Banken und die Finanzmärkte dieses Mal nicht der Ausgangspunkt der Krise. Und: Es wurden umfassende Lehren aus der Krise damals gezogen. Insbesondere wurde den Banken mehr Eigenkapital verordnet. In Deutschland hat sich die Kernkapitalquote der Banken seither etwa verdoppelt: von gut 8 % im Jahr 2006 auf 16½ % Ende vergangenen Jahres. Davon profitieren die Institute heute: Sie sind besser aufgestellt und können mögliche Verluste auch besser verkraften. (…) Banken spielen eine wichtige Rolle in unserer Wirtschaft – gerade jetzt in der Krise. Sie leiten nicht nur staatliche Mittel weiter. Sie helfen, die wirtschaftlichen Folgen für Unternehmen und Haushalte abzufedern, indem sie Kredite vergeben. Insofern können die Banken ein wichtiger Teil der Krisenlösung sein.” Deutsche Bundesbank