Coronakrise: Bürokratie rettet keine Unternehmen
Eine Kolumne von Peter Riedel, Head of Illiquid Products der Debitos GmbH
Vapiano ist das erste Corona-Opfer – und es wird nicht das letzte bleiben. Denn die Ausweitung der Coronapandemie trifft die deutsche Wirtschaft und die hiesigen Unternehmen hart. Die Regierung antwortet bürokratisch. Aber ob das der richtige Weg ist?
Um es klar zu sagen: Die Coronakrise ist nicht der Grund, warum Vapiano jetzt in die Pleite gerutscht ist. Bei der Hamburger Restaurantkette liegen die Probleme tiefer; die Ausweitung der Pandemie in Deutschland und Europa wirkte da nur als Brandbeschleuniger. Bereits seit dem vergangenen Jahr hält sich Vapiano nur noch durch Notfinanzierungen über Wasser: Im Mai 2019 waren es 30 Millionen Euro, kurz vor Ausbruch der Coronakrise sicherte CFO Lutz Scharpe weitere 10,7 Millionen Euro.
Scharpe verkauft die Vapiano-Insolvenz jetzt dennoch als erste große „Corona-Pleite“ – und das aus gutem Grund. Immerhin hat die Bundesregierung in den vergangenen Wochen keine Möglichkeit ausgelassen, mit großen Worten zu erklären, dass hierzulande kein Unternehmen aufgrund der Coronakrise in die Insolvenz rutschen soll.
Deutschland klotzt, es kleckert nicht
Bundesfinanzminister Olaf Scholz sprach sogar von der „Bazooka“, zu der Deutschland jetzt greifen werde, um die hiesigen Firmen zu schützen. „Diese Krise betrifft uns alle. Deshalb wird hier nicht gekleckert, es wird geklotzt“, sagte er und stellte den Unternehmen unbegrenzte Kreditprogramme in Aussicht.
Vapiano appelliert jetzt an die Politik, ihren Worten auch möglichst schnell Taten folgen zu lassen – mit der Betonung auf „schnell“. Doch das könnte jetzt zum Problem werden. Innerhalb einer Frist von drei Wochen müsste das an der Börse gelistete Unternehmen seinen Insolvenzantrag wieder zurückziehen. Bisher sind die von der Regierung versprochenen Milliarden zur Corona-Hilfe allerdings noch nicht verfügbar.
Die von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Hilfsmittel werden formal nicht von staatlicher Stelle, sondern von der Privatwirtschaft vergeben. Ab dem 23. März entscheidet die jeweilige Hausbank des betroffenen Unternehmens, ob sie den Antragsteller für kreditwürdig hält. Das – je nach Bonität – mit eins bis sieben Prozent Zinsen finanzierte Darlehen wird von der KfW dann entsprechend refinanziert. Die Staatsbank übernimmt 90 Prozent des Kreditrisikos. Heißt: Vergeben die Banken jetzt unter Druck einen Loan, der dann später ausfällt, bleiben sie auf 10 Prozent der Kreditsumme sitzen.
Der Bankberater als „Bottleneck“
Für tausende Unternehmen wird in den kommenden Wochen das Geld knapp, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Erster Ansprechpartner für die Unternehmer, Geschäftsführer und Vorstände in Not ist der Firmenkundenbetreuer ihrer Hausbank. Mit ein bisschen Pech ist die entsprechende Bankfiliale aber mittlerweile geschlossen – und der zuständige Mitarbeiter sitzt zu Hause im Home Office, um seine schulpflichtigen Kinder zu betreuen.
Als „Flaschenhals“ wird laut Wikipedia in der Wirtschaft eine organisatorische Schwachstelle bezeichnet, „die in einem betrachteten Zeitraum die höchste Auslastung in der gesamten Prozesskette aufweist und dadurch den Arbeitsablauf hemmt“. Unser gerade beschriebener Bankberater ist genau ein solcher „Flaschenhals“ – oder neudeutsch: „Bottleneck“. Und der kann tödlich sein für viele deutsche Unternehmen.
Kreditanfrage steigt massiv
Schon jetzt berichten einzelne Banken davon, dass sich die Anfrage von Unternehmen in den vergangenen Tagen verdoppelt habe. Doch klar scheint: Das wird in den kommenden Wochen noch ganz andere Dimensionen annehmen. Ein KfW-Sprecher geht aktuell davon aus, dass es zwei bis drei Wochen dauert, bis das Geld an die Unternehmen fließt. Ob das zu halten ist, wenn die volle Wucht der Coronakrise die deutsche Wirtschaft erfasst, bleibt allerdings abzuwarten.
Dazu kommt: Wenn auf dem Schreibtisch des Bankberaters zeitgleich ein Kreditantrag von Firma A über 100 Millionen Euro und ein Antrag von Firma B über 60.000 Euro liegt – welchen wird er wohl zuerst bearbeiten? Bei höherem Kreditvolumen springt für die Bank – die gleiche Bonität der Unternehmen mal vorausgesetzt – natürlich am Ende deutlich mehr raus. Der Antrag der kleinen Unternehmen läuft Gefahr, auf der Prioritätenliste immer weiter nach hinten zu rutschen.
Die Frage sei erlaubt, ob es nicht generell sinnvoller gewesen wäre, in dieser Notsituation auf unbürokratische staatliche Zuschüsse und Eigenkapitalhilfen statt auf teure und oftmals risikoreiche Kredite und Steuervergünstigungen zu setzen? Darüber lässt sich trefflich streiten. Fakt ist allerdings, dass sich die Bundesregierung für diesen Weg entschieden hat und die Unternehmer das jetzt auszubaden haben – mit allen Konsequenzen.
Zu befürchten ist leider, dass vor allen Dingen kleinere Firmen unter dem neuen Bürokratiemonster zu leiden haben werden, das die Bundesregierung gerade geschaffen hat. Dass es auch anders gehen könnte, zeigen übrigens Fintechs wie Penta, Auxmoney und Iwoca. Über ihre digitale Infrastruktur sind die jungen Unternehmen in der Lage, Kredite innerhalb weniger Stunden an KMUs in Not zu vergeben – schnell, effizient und unbürokratisch. Aber soweit ist die hiesige Bankenlandschaft noch lange nicht. Vielleicht wenn die nächste Krise kommt.
Die Kolumne wurde zuerst bei Focus.de veröffentlicht.