Ausblick 2021/2022: Der Einfluss von Zahlungsmoratorien und staatlichen Kreditgarantien
Das Volumen des kommenden Zyklus notleidender Kredite (NPL) im gesamten Euroraum wird in erheblichem Maße von den Moratorien für Kreditzahlungen und den staatlichen Kreditgarantien abhängen.
Die Moratorien und Garantien milderten die unmittelbaren Auswirkungen des abrupten Einfrierens der Wirtschaft ab, unterstützten die Neuvergabe von Krediten und verschafften den Kreditnehmern die notwendige Atempause. Aber diese Maßnahmen haben die zugrundeliegende schwache Lage vieler Unternehmen verschleiert und die Kreditausfälle und letztlich die NPLs lediglich hinausgezögert. Höhere Ausfallraten bei Unternehmen und eine steigende Arbeitslosigkeit in der gesamten EU sind in den kommenden Monaten unvermeidlich, was sich wiederum auf die Zahlungsfähigkeit der Privathaushalte auswirken wird. Laut der Negativszenario-Analyse der Europäischen Zentralbank (EZB) könnten die potenziellen Auswirkungen der Pandemie auf die Bilanzen der Banken im Euroraum die NPLs auf rund 1,4 Billionen Euro ansteigen lassen.
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat kürzlich ihre erste Bewertung der Zahlungsmoratorien für Kredite und staatliche Kreditgarantien für den EU-Bankensektor veröffentlicht. Demnach haben die EU-Banken bis Juni 2020 rund 871 Mrd. € an Zahlungsmoratorien gewährt. Von den von dieser Maßnahme betroffenen Krediten waren 16 % KMU-Kredite, 12 % gewerbliche Immobilienkredite (CRE) und 7 % Wohnimmobilienkredite. Die Zahlunsmoratorien variierten stark zwischen den Ländern und Banken. Französische, spanische und italienische Banken meldeten die höchsten Volumina an Krediten, die Moratorien unterliegen, während zypriotische, ungarische und portugiesische Banken den höchsten Anteil solcher Kredite meldeten. Rund 85 % der Kredite unter Moratorien sollten vor Dezember 2020 auslaufen. Einige Länder kündigten jedoch automatische Verlängerungen aufgrund der zweiten Welle von Covid-19 an.
Staatliche Garantien wurden in geringerem Umfang genutzt. Bis Juni 2020 wurden EU-weit rund 181 Mrd. € an durch staatliche Garantien besicherte Kredite vergeben, davon 95 % an Nicht- Finanzunternehmen (NFCs). Die größten Garantiegeber waren Spanien, Frankreich, Italien und Portugal. Im Gegensatz zu den Krediten unter Moratorien sind die Laufzeiten der staatlichen Kreditgarantien länger. Rund 44% der Kredite hatten eine Restlaufzeit von zwischen zwei und fünf Jahren, während weitere 34% der Kredite zwischen sechs Monaten und einem Jahr fällig wären.
Wie wird sich dies alles auf die Aussichten für NPLs im nächsten Jahr und darüber hinaus auswirken?
PricewaterhouseCoopers (PwC) prognostiziert für 2020 ein europaweites NPL-Volumen von rund 50 Mrd. €, gefolgt von 50 Mrd. € im Jahr 2021 und jeweils bis zu 100 Mrd. € in den Jahren 2022 und 2023. Bereits in Not geratene Kredite, wahrscheinlich einzelne Unternehmenskredite, werden zuerst auf den Markt kommen, gefolgt von kleinen NPL-Portfolios aus der Covid-Ära bis zum Ende des zweiten Quartals. Größere NPL-Portfolios werden bis Ende 2021 auftauchen. Entscheidend ist, dass dieser kommende NPL-Zyklus von KMU-Firmenkrediten dominiert wird, wobei die erste Tranche wahrscheinlich aus Krediten bestehen wird, die bereits vor Ausbruch der Pandemie gestresst oder notleidend waren, und die Kredite aus der Covid-Ära erst danach folgen.
Darüber hinaus werden die Kredite aus der Covid-Ära vornehmlich nicht mit Immobilien besichert sein; daher wird es weniger Möglichkeiten geben, Forderungen durch Verwertung von überbewerteten Immobilien durchzusetzen, die den vorherigen NPL-Zyklus vor fast einem Jahrzehnt gekennzeichnet haben. Es wird ein KMU-geführter Zyklus sein, der ein größeres Maß an Turnaround- und Restrukturierungsexpertise erfordert. Privates Kapital wird mit KMUs zusammenarbeiten müssen, um das bestehende Geschäft zu restrukturieren und wiederzubeleben und die Umsätze auf ein nachhaltiges Niveau zurückzuführen.
In Bezug auf die Länder werden laut PricewaterhouseCoopers (PwC) die nordeuropäischen und spanischen Banken wahrscheinlich wieder zuerst mit der Sanierung beginnen, gefolgt von den übrigen Ländern in Süd-, Mittel- und Osteuropa. Zu den Sektoren, die am stärksten von Covid-19 betroffen sind, gehören laut S&P Global der Einzelhandel und das Gastgewerbe, die Luftfahrt, die Freizeitindustrie sowie die Lieferketten im Zusammenhang mit der Auto- und Ausrüstungsindustrie.
Fazit
Insgesamt untermauert die Analyse empirisch, was der Markt bereits vermutete. Erstens sind die vollen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den EU-Bankensektor und die Wirtschaft im Allgemeinen noch nicht abzusehen. Banken, Aufsichtsbehörden und politische Entscheidungsträger müssen weiterhin die Klippenrisiken für Kreditengagements im Zusammenhang mit der Auflösung von Zahlungsmoratorien und staatlichen Kreditgarantien im Auge behalten.
Zweitens birgt die Dauer der zweiten Welle von Covid-19 in ganz Europa weitere Abwärtsrisiken für die aktuellen NPL-Prognosen für 2021 und darüber hinaus. Dies ist zum Teil auf höhere Volumina der Unternehmenskrediten zurückzuführen, was zusätzliche Kreditrisiken mit sich bringt, insbesondere für Banken in Ländern mit einem hohen Altbestand an notleidenden Kredite gegen Unternehmen. Drittens sind die Banken – sowohl zwischen als auch innerhalb den EU-Mitgliedsstaaten – in ungleichem Maße den Klippeneffekten ausgesetzt, die sich aus dem Auslaufen von Krediten ergeben, die unter Zahlungsmoratorien stehen oder durch staatlichen Kreditgarantien abgesichert sind. Viertens könnten zusätzliche Maßnahmen – von den Regulierungsbehörden, Zentralbanken und nationalen Regierungen – erforderlich sein, um die Gefahr des Eintretens zukünftiger negativer Szenarien einzudämmen.
Diese Analyse ist auch eine Erinnerung an die entscheidende Rolle von Informationen und Datentransparenz – von den Risiken einzelner Banken bis hin zu einer Makrobewertung des Zustands des gesamten Sektors. Der schnelle Informationsaustausch mit und zwischen Banken, Kunden, Partnern und Aufsichtsbehörden ist ein wirkungsvolles Instrument zur Unterstützung der Bewertung, Abschwächung und Vermeidung von identifizierten Risiken.
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