Analyse von Creditreform: Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand
Die deutsche Wirtschaft hat infolge der Corona-Pandemie einen beispiellosen Konjunktureinbruch erlitten. Das spiegelt sich deutlich im deutschen Mittelstand: Der Creditreform Geschäftsklimaindex (CGK) basiert auf den Antworten von rund 1.100 kleinen und mittleren Unternehmen und ist im Herbst 2020 auf den niedrigsten Stand seit der weltweiten Finanzkrise 2009 gefallen. Gegenüber dem Vorjahr fiel der Indikator von plus 17,1 auf minus 5,7 Punkte. Besonders die Geschäftslage wurde negativ bewertet (CGK: minus 10,3 Punkte). Die Geschäftserwartungen im Mittelstand sind erstmals seit Herbst 2009 überwiegend pessimistisch (minus 1,1 Punkte).
Verschleierte Lage
„Unsere Erhebung aus dem September fällt in eine unübersichtliche Zeit“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. „Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist mitten in der größten Krise stark rückläufig, der Arbeitsmarkt weitgehend stabil und die Finanzierungssituation der Betriebe noch immer positiv. Die – in Anbetracht der historischen Rezession – scheinbar entspannte Situation ist jedoch die Folge fiskalpolitischer, geldpolitischer und regulatorischer Maßnahmen, die derzeit massiv auf die deutsche Volkswirtschaft einwirken“, so Hantzsch weiter. Beispiele dafür sind die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, das Kurzarbeitergeld, die staatlichen Hilfskredite und Überbrückungshilfen sowie umfangreiche Garantien für Unternehmen. Dennoch zeigen sich im Detail auch innerhalb von Branchen große Unterschiede in Abhängigkeit von Geschäftsmodell und Kundensegment. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ergebnisse der vorliegenden Analyse zu betrachten.
Mittelstand in der Corona-Krise
Trotz allmählich anziehender Konjunkturwerte verzeichneten die mittelständischen Unternehmen Auftrags- und Umsatzeinbußen. 37,1 Prozent der Befragten meldeten ein Minus bei den Auftragseingängen und 35,8 Prozent der Unternehmen verzeichneten aktuell weniger Umsatz als im Frühjahr (Vorjahr: 14,3 Prozent). Gleichzeitig steigerten 25,6 Prozent der Betriebe bereits wieder ihren Umsatz (Vorjahr: 35,2 Prozent). Erheblich betroffen von den Corona-Folgen ist das Verarbeitende Gewerbe, wo etwa die Hälfte der Befragten Umsatzeinbußen erlitten hat (48,6 Prozent).
Erstmals seit dem Jahr 2009 dürfte es im Mittelstand keinen Beschäftigungszuwachs gegeben haben. Bei 17,8 Prozent der Unternehmen ist die Zahl der Beschäftigten gesunken und niedriger als im Frühjahr. Überwiegend haben die Unternehmen (65,1 Prozent) die Belegschaft aber konstant halten können, was auch eine Folge des Kurzarbeitergeldes ist.
Nur zögerliche Konjunkturerholung erwartet
Wie schätzt der Mittelstand die weitere Geschäftsentwicklung ein? Kurz: Einen kräftigen Aufschwung sehen die Unternehmen nicht. 23,1 Prozent der Befragten erwarten sogar sinkende Auftragseingänge (Vorjahr: 12,8 Prozent) und jeder vierte Befragte (25,1 Prozent) rechnet mit weiteren Umsatzeinbußen (Vorjahr: 12,4 Prozent). Das gilt besonders für das Verarbeitende Gewerbe und den Handel. Nur 22,6 Prozent aller Befragten rechnen für das kommende Halbjahr mit steigenden Umsätzen. Die Investitionsbereitschaft ist angesichts der derzeit schlechten Konjunktur und der unsicheren Corona-Infektionslage eingebrochen. Erstmals seit 2014 rutschte der Anteil der Investitionswilligen unter die 50-Prozent-Marke. Nur noch 45,5 Prozent der Befragten wollen im nächsten halben Jahr investieren (Vorjahr: 51,4 Prozent). Bei der Personalplanung zeigen sich Licht und Schatten: 17,4 Prozent der Befragten wollen wieder mehr Mitarbeiter einstellen (Vorjahr: 22,5 Prozent), aber jeder zehnte Befragte (10,2 Prozent) plant einen Personalabbau.
Noch reicht die Eigenkapitaldecke
In erster Linie ging es auch den Mittelständlern in den vergangenen Monaten darum, die Unternehmensfinanzierung sicherzustellen und nicht zahlungsunfähig zu werden, denn die Unternehmen hatten aufgrund der Corona-Krise erhebliche Ertragsrückgänge zu verzeichnen. 37,4 Prozent der Befragten berichteten von Gewinneinbußen (Vorjahr: 16,7 Prozent). Noch federn eigene Kapitalrücklagen die Einbußen ab: So verfügt etwa ein Drittel der Unternehmen (33,0 Prozent) über eine Eigenkapitalquote von mehr als 30 Prozent. Das ist ein ähnlicher Wert wie vor einem Jahr (33,6 Prozent) und hält den Mittelstand bisher vergleichsweise stabil. Der Anteil der eigenkapitalschwachen Unternehmen war mit 27,3 Prozent sogar etwas niedriger als im Vorjahr (29,3 Prozent). Doch bei einer längeren Durststrecke und einer dauerhaften Inanspruchnahme staatlicher Hilfen dürften die Eigenkapitalquoten sinken. Bislang zeigt nur das Dienstleistungsgewerbe eine erkennbare Verschlechterung. Bedenklich ist zudem, dass die Unternehmen von ersten Negativtendenzen beim Zahlungsverhalten der Kunden berichten. So ist eine Zunahme der Zahlungseingänge jenseits der 30-Tage-Marke festzustellen
Staatshilfen stützen vorübergehend
Der Mittelstand hat vorrangig die sogenannte Soforthilfe für kleine und mittlere Firmen zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen (27,1 Prozent) und das Instrument der Kurzarbeit (33,7 Prozent der Befragten) genutzt. Im Verarbeitenden Gewerbe hat sogar fast die Hälfte der befragten Unternehmen Kurzarbeit beantragt (47,2 Prozent). Das Überbrückungsgeld wurde kaum abgerufen, wobei vor allem der Antragsprozess als zu bürokratisch bewertet wurde. Insgesamt hat gut die Hälfte der Befragten Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch genommen. Im Baugewerbe war der Anteil am geringsten. Dennoch: Trotz der milliardenschweren staatlichen Hilfspakete zur Stabilisierung der Wirtschaft sehen sich viele Unternehmen derzeit in der Krise (11,9 Prozent der Befragten). Gegenüber dem Frühjahr 2020 (7,4 Prozent) ist dieser Prozentanteil nochmals deutlich gestiegen. Besonders hoch ist der Anteil krisenhafter Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe (20,8 Prozent). Zudem verzeichnete jeder fünfte Mittelständler (19,5 Prozent) infolge von Corona eine Verringerung des Eigenkapitals. Hierbei bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklung auf das Insolvenzgeschehen auswirken wird, das im Herbst noch von der Aussetzung der Insolvenzanzeigepflicht profitierte.